BAG-Urteil - Arbeitnehmer müssen Überstunden nachweisen

Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt es bei Überstunden und deren Vergütung häufig zu Streitigkeiten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 04. Mai 2022 klargestellt, dass der Arbeitnehmer die Überstunden nachweisen muss.

Trotz der auch als „Stechuhr-Urteil“ bekannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs („EuGH“) – es  handelt sich um einen Fall in Spanien – , wonach der Schutz des Arbeitnehmers und die EU-Arbeitszeit-Richtlinie (2003/88/EG) von Arbeitgebern verlangen, ein System zur Erfassung der täglichen effektiv geleisteten Arbeitszeit zu schaffen (EuGH, Urteil vom 14.05.2018 – C-55/18), verbleibt es nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 04.05.2022 (Az.: 5 AZR 359/21) dabei, dass Arbeitnehmer im Gerichtsprozess weiterhin die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der arbeitgeberseitigen Veranlassung der Überstunden trifft.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 04.05.2022 klargestellt, dass es in einem Überstundenprozess Sache des Arbeitnehmers sei, nachzuweisen, dass Überstunden geleistet und auch durch den Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder zumindest geduldet wurden. Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast werden durch die Entscheidung des EuGH nicht verändert. Entscheidungen der Untergerichte, die eine andere Beweislastverteilung angenommen haben, sind damit obsolet.

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt berief sich ein Auslieferungsfahrer einer Einzelhandelsfirma aus Niedersachsen, der mit seiner Klage nicht genommene Pausen als Überstunden bezahlt haben wollte, auf die Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung. Er argumentierte, die technische Erfassung seiner Arbeitszeit reiche aus, um Überstunden zu dokumentieren.

Das Bundesarbeitsgericht stellte allerdings klar, dass die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der täglichen Arbeitszeit keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess und wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.

Andre Meiser
Rechtsanwalt
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