Neues Statusfeststellungsverfahren ab dem 01.04.2022

Das Statusfeststellungsverfahren dient im Bereich der Sozialversicherung dazu, festzustellen, ob eine Person abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, und wird von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung geführt. Es kann von beiden Parteien (Arbeitgeber/Auftraggeber und Arbeitnehmer/Auftragnehmer) beantragt werden. Die Beurteilung des Erwerbsstatus ist elementar wichtig, weil eine Vielzahl von Rechtsfolgen an den Erwerbstatus knüpft. Bei einer abhängigen Beschäftigung, insbesondere bei Arbeitnehmern, besteht regelmäßig Sozialversicherungspflicht und damit einhergehend Beitragspflicht. Dabei ist der Auftraggeber (= Arbeitgeber) in einem Arbeitsverhältnis verpflichtet, die Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) abzuführen. Falls die Vertragsparteien davon ausgehen, dass eine Tätigkeit selbstständig ist und deshalb keine Beiträge abgeführt werden, ist das fatal, wenn die Tätigkeit später als abhängige Beschäftigung qualifiziert wird und die Beiträge von den Sozialversicherungsträgern nachgefordert werden. Dies ist rückwirkend bis zu vier Jahre möglich. Wenn dem Arbeitgeber Vorsatz nachgewiesen wird, sogar bis zu 30 Jahre. Bei Vorsatz wird auch ein Säumniszuschlag von 12 Prozent pro Jahr aufgeschlagen.

 

Zum 01.04.2022 treten wesentliche Änderungen des Statusfeststellungsverfahrens in Kraft. Bislang konnte im Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV nicht über das Vorliegen einer Beschäftigung isoliert entschieden werden. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund musste neben der eigentlichen Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsstatus, also über die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, auch über die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit in den einzelnen Sozialversicherungszweigen entscheiden. Ab dem 01.04.2022 entscheidet die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund nur noch über den sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsstatus. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dann aufgrund des Ergebnisses der Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsstatus die Versicherungspflicht in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung selbst ermitteln muss, beispielsweise dann, wenn ein Arbeitnehmer die Jahresarbeitsentgeltgrenze für die Kranken- und Pflegeversicherung überschreitet und deshalb keine Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung besteht.

 

Bei Einsatz von Fremdpersonal in Betrieben kommt es vor, dass mehr als zwei Parteien beteiligt sind. Das ist dann der Fall, wenn ein Dienstleister (Auftraggeber) dem Betrieb (Dritter) projektbezogen einen Spezialisten (Auftragnehmer) zur Verfügung stellt. In solchen Fällen kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit nicht nur auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer an. Es sind auch die Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den Einsatz des Auftragnehmers prägen, also auch die zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber. Der Dritte kann ebenfalls ein erhebliches Interesse an einer Klärung haben, z. B. wegen des Verbots der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, der daraus resultierenden möglichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer und einer möglichen Haftung für den Sozialversicherungsbeitrag. Hier ist künftig Folgendes möglich: Stellt die Deutschen Rentenversicherung Bund in einem Statusfeststellungsverfahren ein Beschäftigungsverhältnis fest, kann sie auch feststellen, ob dieses zu dem Dritten besteht.

 

Bisher wurde das Statusfeststellungsverfahren erst nach Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt. Dies gründet darauf, dass für die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, das gelebte Vertragsverhältnis entscheidend ist, sofern dies von den vertraglichen Vereinbarungen abweicht. Dies bleibt im Grundsatz unverändert. Jedoch können die Beteiligten auf Antrag bereits vor Aufnahme der Tätigkeit durch eine Entscheidung Rechtssicherheit über den Erwerbsstatus erlangen. Dazu müssen aber die tatsächlichen Einsatzumstände bereits konkret beschrieben werden können. Trifft die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgrund der Angaben durch den Auftraggeber und/oder Auftragnehmer eine Entscheidung, ist eine neuerliche Entscheidung nach Aufnahme der Tätigkeit nicht vorgesehen. Ergeben sich bei der tatsächlichen Ausübung der Tätigkeit Abweichungen gegenüber der vorherigen Prognose, kann die Deutsche Rentenversicherung Bund die Prognoseentscheidung aufheben. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Die DRV Bund prüft, ob sich daraus eine geänderte Entscheidung ergibt. Ist dies der Fall, erfolgt eine Korrektur der Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft.

 

Werden mehrere Auftragsverhältnisse auf Grundlage einheitlicher Vereinbarungen durchgeführt, ist es bisher erforderlich, für jeden Auftrag eine Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zu beantragen. Dies gilt nicht nur für Fallgestaltungen, bei denen eine Identität zwischen den Vertragsbeteiligten besteht (wie bei Rahmenverträgen zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer), sondern auch dann, wenn ein Auftraggeber gegenüber unterschiedlichen Auftragnehmern im Wesentlichen einheitliche Bedingungen für eine Vielzahl von Auftragsdurchführungen vorgibt und diese dann auch weitgehend identisch umgesetzt werden sollen. Um Bürokratie abzubauen und um umfassend Gewissheit über den Erwerbsstatus zu schaffen, wird die Gruppenfeststellung eingeführt. Durch die Gruppenfeststellung muss nicht jede Einsatzperson getrennt überprüft werden.

 

Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über einen Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag auch gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von anderen Einsatzpersonen im gleichen Auftragsverhältnis. Voraussetzung ist, dass die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und einheitliche vertragliche Vereinbarungen zugrunde liegen. Geringfügige Abweichungen fallen nicht ins Gewicht, z. B. hinsichtlich der Tätigkeit oder der Höhe der Vergütung. Den Antrag für die Gruppenfeststellung kann der Auftraggeber stellen. In den Fällen, in denen ein Auftragnehmer mehrere gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber schließt, wie bei einem Rahmenvertrag, steht das Antragsrecht auch dem Auftragnehmer zu. Dadurch dass es sich lediglich um eine gutachterliche Stellungnahme handelt, fehlt die Bindungswirkung wie bei einem Bescheid. Das hat zur Folge, dass weder die Deutsche Rentenversicherung Bund noch andere Versicherungsträger an die gutachterliche Stellungnahme gebunden sind.

 

Die Regelungen treffen zum 01.04.2022 in Kraft. Bisher getroffene Entscheidungen über die Versicherungspflicht im Rahmen der bis zum 31.03.2021 geltenden Regelungen gelten weiter.

Andre Meiser
Rechtsanwalt
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