Handlungsbedarf noch in 2022 bei Übertragung von Immobilien

Drohende Steuererhöhung bei Übertragung von Immobilien durch das Jahressteuergesetz 2022

 

1. Worum geht es?
Durch das Jahressteuergesetz 2022 („JStG 2022“), das derzeit im Entwurfsstadium vorliegt, ist u.a. eine Anpassung bei der Bewertung von Immobilien für erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Zwecke vorgesehen.

Die bestehenden steuerlichen Regelungen der Grundbesitzbewertung sollen an die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021 angepasst werden. Die geplante Neuregelung wird dazu führen, dass die Immobilienwerte, die für die Bemessung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu Grunde gelegt werden, tendenziell höher ausfallen werden als bisher. In Einzelfällen können die Änderungen dazu führen, dass der Wert von Immobilien für erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Zwecke sogar deutlich steigt.

Die geplante gesetzliche Neuregelung soll mit Wirkung ab 01.01.2023 für sämtliche unentgeltlichen Immobilienübertragungen gelten. Daher sollten bereits geplante Schenkungen von Immobilien noch im Jahr 2022 erfolgen, um von dem tendenziell günstigeren Recht profitieren zu können.

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die Neubewertung der Immobilien für Zwecke der Grundsteuer nach anderen Bewertungsvorschriften erfolgt als dies für die Erbschaft- und Schenkungsteuer der Fall ist.

 

2. Wie erfolgt grundsätzlich die Immobilienbewertung für erbschafts- und schenkungsteuerliche Zwecke?
Bebaute Grundstücke werden für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke je nach Gebäudeart nach dem Vergleichswertverfahren, dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren bewertet.

Gebäudegruppe A: Diese ist grundsätzlich nach dem Vergleichswertverfahren zu bewerten, sofern denn ein Vergleichswert vorliegt:

  1. Wohnungseigentum
  2. Teileigentum
  3. Ein- und Zweifamilienhäuser

Gebäudegruppe B: Diese wird nach dem Ertragswertverfahren bewertet:

  1. Mietwohngrundstücke
  2. Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke (mit ermittelbarer ortsüblicher Miete)

Gebäudegruppe C: Diese wird nach dem Sachwertverfahren bewertet:

  1. Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke (ohne ermittelbare ortsübliche Miete)
  2. Wohnungseigentum, Teileigentum, Ein- und Zweifamilienhäuser, für die kein Vergleichswert vorliegt
  3. Sonstige bebaute Grundstücke

Da vielfach kein Vergleichswert vorliegt, kommt auch für die Gebäudegruppe A häufig statt des Vergleichswertverfahrens das Sachwertverfahren zur Anwendung.

 

3. Welche grundsätzlichen Änderungen sind geplant bei der Immobilienbewertung?
Mit der geplanten gesetzlichen Neuregelung sollen die Regelungen zum Ertragswertverfahren und zum Sachwertverfahren geändert werden. Von dieser Neuregelung ist damit aber auch die Gebäudegruppe A (z.B. Ein- und Zweifamilienhäuser) betroffen, sofern kein Vergleichswert ermittelt werden kann.
 

4. Welche Änderungen gibt es beim Ertragswertverfahren?
Für die Bewertung der Immobilien im Rahmen des Ertragswertverfahrens ist u.a. der Liegenschaftszinssatz von Relevanz. Beim Ertragswertverfahren sollen unter anderem die pauschalen Liegenschaftszinssätze angepasst werden. Die pauschalen Liegenschaftszinssätze kommen dann zum Ansatz, wenn vom örtlichen Gutachterausschuss kein ortsüblicher Liegenschaftszinssatz ermittelt wurde. Die nachstehende Tabelle zeigt die bisherigen sowie die geplanten neuen Liegenschaftszinssätze:

Da der Immobilienwert umso höher ist, je niedriger der Zinssatz ist, führen die geplanten Zinssenkungen zu höheren Immobilienwerten, wenn nicht ein individueller vom Gutachterausschuss ermittelter Liegenschaftszins vorliegt.

Weiterhin ist beim Ertragswertverfahren eine Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer von 70 auf 80 Jahren für folgende Gebäudearten vorgesehen:

  • Ein- und Zweifamilienhäuser
  • Mietwohngrundstücke, Mehrfamilienhäuser
  • Wohnungseigentum
  • Gemischt genutzte Grundstücke (Wohnhäuser mit Mischnutzung)

Die Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer wird zu höheren Immobilienwerten führen. Insbesondere für Mehrfamilienhäuser (Mietwohngrundstücke) dürfte das neue Recht zu deutlich höheren Werten führen aufgrund der deutlichen Absenkung des Zinssatzes sowie der verlängerten Gesamtnutzungsdauer.


5. Welche Änderungen gibt es beim Sachwertwertverfahren?
Beim Sachwertverfahren sollen unter anderem die Wertzahlen teilweise deutlich erhöht werden und auch die Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer für bestimmte Gebäudearten wird zu teilweise deutlich höheren Immobilienwerten führen. Zur realitätsgerechteren Bewertung der Immobilien soll zudem ein Regionalfaktor eingeführt werden. Dieser soll den Unterschied zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau berücksichtigen.


6. Fazit
Da die geplante gesetzliche Neuregelung mit Wirkung ab 01.01.2023 für sämtliche unentgeltlichen Immobilienübertragungen gelten soll und dadurch die Immobilienwerte für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke teilweise deutlich steigen werden, sollten bereits geplante Schenkungen von Immobilien noch im Jahr 2022 erfolgen, um von dem tendenziell günstigeren Recht profitieren zu können.


Weitere Fragen?
Sollten Sie weitere Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Stand: 28.10.2022

Dipl.-Kfm. Matthias Pfefferle
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
Standort: Dillingen
W+ST Wirtschaftsprüfung AG & Co. KG
Münchener Straße 1
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